Bericht
des Bundesrechnungshofs zur Transrapid-/Metrorapid-Machbarkeitsstudie
Am 04.
Juni 2002 wurde durch den Bundesrechnungshof auf Anforderung des
Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages ein Bericht
über die Machbarkeitsstudie für
Magnetschnellbahnstrecken in Bayern und Nordrhein-Westfalen
veröffentlicht.
Jetzt ist es offiziell: Der
Bundesrechnungshof hält den Bau
der Magnetschwebebahn in Bayern und Nordrhein-Westfalen für
unrentabel. Die Strecken seien "nicht realisierungswürdig",
heißt es nach Angaben des Bundestages in einem Bericht
für den Haushaltsausschuß.
Die zunächst für den Fernverkehr vorgesehene
Magnetschnellbahn-Technik müsse für die besonderen
Nahverkehrs-Anforderungen des Transrapids in Bayern und des Metrorapids
in NRW noch "wesentlich weiter entwickelt werden". Damit seien aber
erhebliche Kosten- und Zeitrisiken verbunden.
Auch seien in der
Machbarkeitsstudie die Kosten für Park&Ride-Anlagen,
Schallschutz, Teile der Energieversorgung, Lackieranlagen und die
Instandhaltung des Fahrwegs "nicht oder nur in unzureichender
Höhe" angesetzt worden, monierte der Rechnungshof, aus dessen
Bericht Ende Mai schon in Medien zitiert worden war. Bei der Ermittlung
der Erlöse aus dem Fahrgastaufkommen sei zudem ohne plau-
sible Begründung vorausgesetzt worden, daß
konkurrierende Bus- und Bahnverbindungen mit Inbetriebnahme der
Magnetschnellbahnen eingestellt würden.
Der
Bund müsse gewährleisten,
daß er nicht doch unangemessene Risiken aus dem Betrieb
überneh- men müsse, forderte der Rechnungshof. Er
solle sich zudem erst dann zur Zahlung des Zuschusses an die
Länder verpflichten, wenn die Gesamtfinanzierung gesichert
sei.
Ein Sprecher von
Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) hatte bereits nach den
Presseberichten Ende Mai erklärt, das Ministerium
könne die Anmerkung des Rechnungshofs nicht in allen Punkten
teilen und bleibe daher bei seiner Grundsatzentscheidung für
den Bau der beiden Projekte
Zusammenfassung
des Berichts
Der
Bundesrechnungshof wollte mit seinem Bericht aufzeigen, welche weiteren
Schritte er für notwendig erachtet, bevor eine
abschließende Entscheidung über die
Gewährung von Zuschüssen zur Finanzierung
möglicher Anwendungsstrecken für die
Magnetschwebebahntechnologie getroffen werden kann. Seine
Würdigungen und Empfehlungen beziehen sich auf die
betriebswirtschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Ansätze
und Bewertungsverfahren der Machbarkeitsstudie sowie auf die bisherigen
Rechnungen für die Aufteilung des Bundeszuschusses auf die
Länder. Die Hinweise und Empfehlungen des Bundesrechnungshofes
sind nicht als Bewertung einer neuen in Deutschland entwickelten
Technologie zu verstehen.
Die gesamtwirtschaftliche Bewertung der MSB-Strecken wurde auf der
Basis einer Nutzen-Kosten-Analyse durchgeführt. Nach den
Kriterien des Bundesministeriums ist eine Maßnahme als
gesamtwirtschaftlich vorteilhaft und realisierungswürdig
anzusehen, wenn der Nutzen-Kosten-Quotient größer 1
ist.
- Verkehrliche
Alternativlösungen in moderner Rad-Schiene-Technik, die sich
aufgrund der jeweils geringen Streckenlänge und kurzen
Haltestellenabstände bei den Anwendungsstrecken ebenfalls
anbieten, hat das Bundesministerium nicht untersuchen lassen. Die
Fachkompetenz des "Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesminister
für Verkehr" wurde von diesem nicht genutzt.
- In
der gesamtwirtschaftlichen Bewertung wird eine Nutzenkomponente
dafür angesetzt, dass Verlagerungen vom
Straßenverkehr auf die Magnetschnellbahn das
Straßennetz entlasten und damit für Pkw-Fahrten
Reisezeitgewinne entstehen. Ein derartiger Ansatz war bisher bei
spurgebundenen Verkehrssystemen methodisch nicht vorgesehen. Die
Höhe des errechneten Nutzens erscheint unangemessen hoch. Ohne
diese Komponente sinkt der Nutzen-Kosten-Quotient bei beiden Strecken
von 1,5 auf 1,1.
Für den Transrapid in Bayern wurden die Schadstoffkosten in
der gesamtwirtschaftlichen Bewertung nicht wie in Nordrhein-Westfalen
mit einem bundesweiten Energiemix angesetzt. Bei
Berücksichtigung der Vorgaben sinkt der Nutzen-Kosten-Quotient
um weitere rd. 0,2 Punkte.
Beim Metrorapid wurde unzutreffend ein Nutzen aus vermiedenen
Investitionen für Schienenfahrzeuge und einsparbare
Betriebskosten für den Schienenpersonenfernverkehr angesetzt.
Dadurch sinkt der Nutzen-Kosten-Quotient um rd. 0,18 Punkte.
Die gesamtwirtschaftliche Bewertung beruht auf der Annahme, dass beide
Magnetschnellbahn-Strecken im Jahr 2006 in Betrieb genommen werden.
Dabei wird von nicht realistischen Rahmenbedingungen ausgegangen, die
zudem hohe Kostenrisiken enthalten. Bei einer Erhöhung der
Baukosten um 5 % würde der Nutzen-Kosten-Quotient bei
beiden Strecken um weitere 0,2 Punkte sinken.
Bei Berücksichtigung vorgenannter Gesichtspunkte
ergäbe sich für beide Magnetschnellbahn-Strecken bei
Bewertung des verkehrlichen Nutzens ohne Berücksichtigung
industriepolitischer Aspekte, wie z. B. Nutzen durch
Exportmöglichkeiten, ein Nutzen-Kosten-Quotient unter 1.
Eine zusätzliche Reduzierung würde sich durch die
Berücksichtigung der nachstehenden Hinweise, die weitere
Risiken sowie Kosten- und Erlösansätze betreffen,
ergeben. Somit wären beide Magnetschnellbahn-Strecken nach den
Kriterien des Bundesministeriums nicht realisierungswürdig. Es
erscheint daher notwendig, den industriepolitischen Nutzen der
Anwendung der Magnetschnellbahn-Technologie in Deutschland unter
Berücksichtigung der aktuellen Erfahrungen mit dem Export
dieser Technologie nach Shanghai sorgfältig zu bewerten und
darzulegen, ob der Bau zweier Magnetschnellbahn-Anwendungsstrecken in
Deutschland vertreten werden kann.
- Die
zunächst für den Fernverkehr vorgesehene
Magnetschnellbahn-Technik muss für die besonderen
Anforderungen des Transrapid und des Metrorapid als Nahverkehrssysteme
noch wesentlich weiterentwickelt werden. Damit sind erhebliche Kosten-
und Zeitrisiken verbunden. Eine Verlagerung dieser Risiken auf die
Hersteller der Magnetschwebebahn-Technik ist wegen deren
Monopolstellung vertraglich schwierig durchzusetzen.
- Die
Kosten für Park & Ride-Anlagen, Schallschutz, Teile
der Energieversorgung, Lackieranlagen und die Instandhaltung des
Fahrwegs wurden nicht oder nur in unzureichender Höhe
angesetzt.
- Bei
der Ermittlung des Fahrgastaufkommens und den damit verbundenen
Erlösen wurde ohne plausible Begründung
vorausgesetzt, dass konkurrierende Bus- und Bahnverkehre mit
Inbetriebnahme der Magnetschnellbahn-Strecken eingestellt werden.
Marktstudien zur Durchsetzbarkeit der bei den
Erlösansätzen berücksichtigten
erhöhten Magnetschnellbahn-Fahrpreise liegen bisher nicht vor.
- Nach
Aussage des Bundesministeriums sollen die Länder
grundsätzlich die Risiken für die
Magnetschnellbahn-Strecken tragen. Die Machbarkeitsstudie geht dagegen
von der Übertragung wesentlicher Risiken auf den Betreiber aus.
Der Bund sollte gewährleisten, dass er nicht als
Eigentümer des möglichen Betreibers Deutsche Bahn AG
letztlich doch unangemessene Risiken aus dem Betrieb
übernimmt.
- Der
Bund beabsichtigt, sich an den Investitionskosten beider
Magnetschnellbahn-Strecken in Höhe von insgesamt rd. 4,8 Mrd.
EUR (einschließlich Fahrzeuge) mit einem Zuschuss von 2,3
Mrd. EUR zu beteiligen. Danach müssten die Länder
Bayern und Nordrhein-Westfalen ohne Berücksichtigung des
Projekterfolges zusätzlich insgesamt rd. 2,5 Mrd. EUR
bereitstellen. Für die Gewinnung privater Investoren
wären weitere staatliche Zuschüsse in erheblicher
Höhe anzusetzen.
Eine vertragliche Verpflichtung des Bundes zur Zahlung des Zuschusses
sollte erst eingegangen werden, wenn die Gesamtfinanzierung der
Projekte gesichert ist.
- Das
Bundesministerium ermittelte in einer besonderen Rechnung die
Aufteilung des Bundeszuschusses in Höhe von insgesamt 2,3 Mrd.
EUR auf die beiden Magnetschnellbahn-Strecken. Als Ergebnis sollen
für den Transrapid in Bayern 550 Mio. EUR und den Metrorapid 1
750 Mio. EUR gewährt werden.
Die Aufteilungsrechnung stützt sich auf das gleich angenommene
Nutzen-Kosten- Verhältnis beider Strecken. Sie weist eine
Bandbreite für die Bezuschussung jeder Strecke aus. Die
Rechnung kann grundsätzlich nachvollzogen werden, andere
Aufteilungskriterien und -maßstäbe wurden jedoch
nicht untersucht.
Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes kann nicht davon
ausgegangen werden, dass die der Rechnung zu Grunde gelegten
wesentlichen Bedingungen, beide Projekte seien gesamtwirtschaftlich
sinnvoll und wiesen ein nahezu identisches
Nutzen-Kosten-Verhältnis aus, noch Bestand haben.
Das Bundesministerium folgt den Anmerkungen des Bundesrechnungshofes zu
der Machbarkeitsstudie in wesentlichen Teilen nicht. Es geht weiter
davon aus, dass beide Projekte aus verkehrlicher Sicht
gesamtwirtschaftlich realisierungswürdig sind. Es wird die
Anregung des Bundesrechnungshofes aufgreifen, die zusätzlichen
industriepolitischen Auswirkungen zu untersuchen. Auf Grund des noch
notwendigen Entwicklungsbedarfs der MSB-Technik sieht es die
Möglichkeit von Kostenoptimierungen und Einsparpotenzialen.
Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Bewertung. Er empfiehlt, die
betriebswirtschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Ansätze
und Bewertungsverfahren der Machbarkeitsstudie entsprechend den
Empfehlungen zu überarbeiten und dabei die
verkehrswissenschaftliche Kompetenz des "Wissenschaftlichen Beirates"
zu nutzen. Auf der Grundlage der neuen Ergebnisse wäre
politisch zu entscheiden.