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Wie krank macht Lärm?
Wie macht Lärm krank?
Dies war der Titel eines eindrucksvollen Vortrags auf der
Mitgliederversammlung der Bürger-
initiative "Bahn im Tunnel" (BIT) im November 2006. Dr. Armin Giebel,
Professor
an der Fachhochschule München und Leiter des Akustik-Labors,
gab einen
auch für Laien verständlichen Einblick in sein
Spezialgebiet die
Hörakustik mit überraschenden Ergebnissen zur Wirkung
von Umweltlärm
und hier speziell Verkehrslärm auf den Menschen. Einige
Aspekte daraus
werden im Folgenden dargestellt.
Direkte Lärmwirkungen
Zunächst
muss man zwischen auralen (direkten) und extraauralen
Lärmwirkungen
unterscheiden. Im auralen Bereich führen starke
Schallbelastungen
(Dauerbelastung mit Mittelungspegel größer 85dB(A)
oder kurze
Belastungen durch Knalle oder Explosionen) zur
Hörermüdung die als "Vertäubung" erlebt wird
und meist nach ausreichend bemessener
Ruhezeit wieder ver-schwindet. Eine permanente Vertäubung d.h.
Schwerhörigkeit kann durch häufige
Lärmbelastungen oder besonders
intensive Knalle (Scheckschusspistole, Feuerwerkskörper)
ausgelöst
werden. Diese Schwerhörigkeit ist als durch Lärm
verursachte Krankheit
anerkannt. Sie erreicht mit ca. 30% den höchsten Anteil bei
den
anerkannten Berufskrankheiten.
Die auralen Lärmwirkungen betreffen
also vorwiegend die Arbeitswelt aber auch den Freizeitbereich und hier
zunehmend die Belastung durch Lautsprecher verstärkte Musik.
In
Diskotheken und bei Pop-Konzerten werden Dauerschallpegel gemessen, die
fast immer über der Gefährdungsgrenze von 85dB(A)
liegen. Einzelpegel
überschreiten dabei häufig die Schmerzgrenze.
Wirkung und Folgen von Verkehrslärm
Die
Schallbelastungen beim Verkehrslärm liegen zumeist unter
85dB(A) und
führen daher nicht zu einer
Lärmschwerhörigkeit. Dieser Lärm macht also
nicht direkt krank aber er schafft Voraussetzungen für
Krankheiten. In
der Folge können dann auftreten:
• Erhöhtes Risiko
für Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems (z. Bsp.
Arteriosklerose)
• Probleme im Magen-Darm-Bereich
(z. Bsp. Geschwüre)
• Auslösung von Diabetes
• Schwächung des
Immunsystems
Die
Schallbelastung ist also als Kofaktor anzusehen, die Auswirkung auf die
Gesundheit des Einzelnen ist im hohen Maße individuell. Das
führt dazu,
dass hierbei nur statistische Assagen über die
Folgewahrscheinlichkeiten gemacht werden können. Die
physiologischen
und psychologischen Wirkungsmechanismen sind gut untersucht,
insbesondere die physiologischen Wirkungen des Lärms auf das
sympathische Nervensystem, dessen Aufgabe es ist schnell auf
Umweltreize zu reagieren ("Fight or Flight"). Als Folge von
Lärmeinwirkungen können hier direkt beobachtet werden:
• Schnellerer und
kräftigerer Herzschlag
• Raschere, tiefere Atmung
• Pupillenerweiterung
• Adrenalinausschüttung
(Wachmacher!)
• Glukoseausschüttung
der Leber
Das
sind typische Körperreaktionen auf Stress, die
nachweißbar bei
Lärmpegel ab ca. 65dB(A) auftreten, kaum
beeinflussbar und auch im
Schlaf wirksam sind.
Lärmgrenzwerte und Minimierungsgebot
Fasst
man alle verfügbaren Studien zusammen, so muss man von einem
erhöhten
Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgehen, wenn tags ein
Dauerschallpegel von 60dB(A) und nachts von
50dB(A)überschritten wird.
Die in der Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) von 1990
festgesetzten Grenzwerte für Wohngebiete (59dB(A) tags und
49dB(A)
nachts) scheinen diesen Ergebnissen zu genügen. Leider gelten
diese
Grenzwerte nur für Neubaumaßnahmen, die Grenzwerte
für
Lärmsanierungsmaßnahmen liegen wesentlich
höher (70DB(A) tags und
60dB(A) nachts) und sind nicht verpflichtend. Bei
Neubaumaßnahmen wird
der Schallschutz so dimensioniert, dass die Grenzwerte in den
Wohngebieten gerade noch bzw. überwiegend eingehalten werden.
Zusatzlärm von anderen Lärmquellen wird dabei nicht
berücksichtigt.
Für
eine fürsorgliche nachhaltige Politik notwendig wäre
ein
Minimierungsgebot. Jede Lärmemission sollte dabei auf das
technisch
mögliche reduziert werden. Dr. Giebels Schlusssatz sollte uns
lange im
Ohr klingen "Ohne Stärkung des Minimierungsgebots ist die Ruhe
im
Grenzwertkonzept eine schöne Illusion".
Dr. Benno Reuter