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Artikel veröffentlicht in der Bürgerzeitung "WIR" vom November 1996

Weiterdenken! Wir haben eine Jahrhundertchance!

Ein Städteplaner begründet, was beim Tunnelprojekt auf dem Spiel steht

Die S-Bahn-Linie München-Freising soll im Streckenabschnitt Pasing - Neufahrn drei- bis viergleisig ausgebaut werden, nach aktueller Information der Bahn AG bereits bis zum Jahre 2000. Der Schienenverkehr durch Unterschleißheim wird sich dann rnehr als verdoppeln. Schon in den nächsten zwei Jahren wird eine zweite S-Bahn-Verbindung über den Neubaustreckenabschnitt Neufahrn - Flughafen geschaffen, die in einer weiteren Ausbaustufe der Fernbahnanbindung des Flughafens dient.

Der unterirdische Fernverkehrsbahnhof am Flughafen ist bereits im Bau (im sog. MUNIC AIRPORT CENTER). Das ist eine weitsichtige und richtige Entscheidung, da in der Bundesrepublik alle Großflughäfen umweltschonend nicht nur über S-Bahnen, sondern auch für Fernbahnlinien erreichbar sind oder werden sollen.

Die Lärmbedrohung wird durch das erhöhte Verkehrsaufkommen auf der Schiene deutlich zunehmen. Heute schon werden die zulässigen Lärmpegel für "allgemeine Wohngebiete" weit überschritten. Doch erst mit einer Neubaumaßnahme wie unserem Ausbau auf drei oder vier Gleise ist die Bahn vom Gesetzgeber her zu ausreichendem Schallschutz gezwungen.

Die einfachste Lösung für die Bahn sind Schallschutzwände und für höhere Häuser zusätzliche Schallschutzfenster. Nach offiziellen Schallschutzberechnungen müßten diese Wände etwa 9,5 Meter hoch werden, jeweils beidseitig der Bahnlinie und mit zusätzlichen schallschluckenden Wänden zwischen den Gleisen ergänzt.

Da solche Wände in dieser Höhe nur mit extrem hohem Aufwand auszuführen sind und städtebaulich nicht vertretbar wären, würde die Bahn maximal 2,5 Meter hohe Mauern errichten und für höhere Wohnhäuser Schallschutzfenster einbauen lassen. Selbst Wände in dieser relativ niedrigen Höhe wären für unsere Gemeinde schon eine Katastrophe.

Alternativ die Bahnlinie aus dem Ort heraus parallel zur Autobahn zu verlegen, ist ebenfalls keine Lösung. Schon heute sind unsere Ortsteile Weihersiedlung und Riedmoos durch die Autobahn enormen Lärmbelästigungen ausgesetzt.

Die geplante Bahnunterführung an der Bezirksstraße ist ebenso verfehlt, da sie nicht städtebaulich konzipiert ist und für sie hohe Steuergelder aufgewendet würden. Auf ärgerlichste Art und Weise würde hier nur ein verkehrstechnischer Zwangspunkt der Bahn zu Lasten unserer Gemeinde beseitigt und der unterirdische Ausbau behindert.

Bild für möglichen Fernbahnanschluss des Flughafens München




BEGREIFEN WIR: In 10 Jahren ist der Fernverkehr vom Münchener Hbf an den Flughafen angeschlossen. Selbst Fern-Expreß-Züge aus Paris, Wien und Berlin donnern durch unseren Ort!

 

Die einzige langfristig funktionierende Lösung ist es daher, die Bahntrasse im Ortsbereich in einen Tunnel zu verlegen. Sollte wirklich ein drittes Gleis oberirdisch gebaut werden, wäre die oberirdische Bahnstrecke durch Unterschleißheim für alle Zeiten zementiert. Ein Tunnel wird für unseren Ort aber nur in den nächsten fünf Jahren möglich sein, aber nie mehr später.

Professor Rupert Springenschmid, Koryphäe seines Fachs, hat vor kurzem in ähnlichem Zusammenhang nachdrücklich gemahnt: "Wir nutzen heute immer noch Bauleistun-

gen des vergangenen Jahrhunderts - Eisenbahnen, Wasserbauten, Versorgungsleitungen, mitunter sogar noch Brücken. Dann sollten wir aber solche Bauwerke, wenn wir sie heute noch erstellen, auch so gestalten, daß sie eine mindestens so hohe Lebensdauer wie in früheren Zeiten erreichen..." U-Bahn-Tunnel in Londen (1890) oder in Berlin (1902) sind beispielsweise bis heute in Betrieb.

Der oberirdische Bahnausbau in dicht besiedelten Wohngebieten ist, auch auf die Lebensdauer der Baumaßnahme gesehen, volkswirtschaftlich eine Todsünde.- Wir müssen einfach wieder lernen, in langfristigen Bahnen zu denken und wieder für mehr als 100 Jahre zu bauen. Eine Bahnuntertunnelung ist für Unterschleißheim die Jahrhundertchance. Sie läßt die Gemeinde wieder zusammenwachsen. Unterführungen und Brücken werden überflüssig. Straßen können wieder zusammengeführt, bisher städtebaulich ungelöste Bereiche zu hochwertigen Flächen entwickelt werden, die das Ortsbild entscheidend aufwerten.

Unterschleißheim ist in den letzten zehn Jahren um sage und schreibe 10.000 Einwohner gewachsen. Endlich hat es die Chance, wieder ein städtebauliches Ganzes mit Eigencharakter zu werden, das auch unse ren Neubürgern Identität, ihnen Heimat und Wärme gibt.

Dipl. -Ing.
Ulrich Hermann

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