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Leitartikel aus der Unterschleißheimer SPD-Bürgerzeitung "wir" vom November 96

Gute Nacht, Unterschleißheim

Nur Mut, Herr Bürgermeister! Sonst ist unwiderruflich Unterschleißheims Zukunft verbaut. Der Flughafen expandiert. Der Staat hat's eilig. Die Entscheidung für oder gegen den Tunnel fällt jetzt! Nicht einlullen lassen! Wir Bürger sollten die Tatsachen und Zusammenhänge selber kennen! Wer jetzt nicht für den Tunnel kämpft, verpaßt eine Jahrhundertchance!

Am 20. Juli haben Bahnchef Heinz Dürr und Wirtschaftsminister Otto Wiesheu ein gigantisches Zukunftsprojekt vorgestellt: "Der Münchener Hauptbahnhof soll 35 Meter tief unter die Erde verlegt werden, damit draußen ein drei Kilometer langer und 165 Meter breiter Park erblühen kann, der 20.000 Münchnern Platz zum Wohnen und Arbeiten bietet", berichtet die Süddeutsche Zeitung. Phantastisch! Um Form und Finanzierung wird natürlich noch gerungen. In Stuttgart ist die Versenkung des Hauptbahnhofes schon jetzt konkret geplant.

Total anders in unserer über 1200 Jahre alten Gemeinde mit 25.000 Einwohnern kurz vor den Toren Münchnes, hier besteht die Bahn auf einen schockierenden Plan:

Zur Erfüllung der gesetzlichen Normen müßten die erweiterten Gleise durch hohe Lärmschutzwände abgesperrt, darüber hinaus die Hochhäuser mit Schallschutzfenstem geschützt werden. Ein vielversprechender Ort - immerhin an Einwohnerzahl so groß wie Lindau - würde durch eine brutale Bahnschneise unwiderruflich in zwei Teile zerschnitten. Und dies, damit es auch schön auffällt, nicht mal 50 Meter vom Rathausplatz entfernt.

Gute Nacht, Unterschleißheim!

Warum der rücksichtslose Plan? Der neue Flughafen ist für den Wirtschaftsstandort Bayern lebenswichtig. Die Passagierzahl wächst derzeit jährlich um eine Million.

In sieben Jahren wird in der ersten Ausbaustufe das zweite Terminal fertig sein ("Lufthansa macht Druck", SZ vom 9.10.).

Immer eiliger wird der zweite Zubringer über die Bahnlinie "S 1". Am Teilstück Neufahrn - Airport wird bereits heftig gebaut, fertig in zwei Jahren.

Und dann wird's für uns ernst!

Wenn es nach der Bahn geht, wird anschließend "unsere" Strecke S 1 oberirdisch so ausgebaut,

daß künftig über Pasing und Schleißheim die Fern- und die Hochgeschwindigkeitszüge direkt zum "Munich Airport" als zweiten Münchner Hauptbahnhof fahren.

Fünf Kilometer Bahnschneise mit hohen Schallwänden quer durch unseren Ort.

Die Zukunft von Unterschleißheim? Ade!

Das müßte nicht so sein. Warum verlegt man nicht in Unter- und Oberschleißheim, die am schlimmsten betroffen sind, möglichst auch in Eching und Neufahrn, die Gleise unter die Erde wie anderswo auch?

Hat nicht Bahnchef Heinz Dürr öffentlich "Gleise, die Orte zerschneiden, müssen weg" gesagt?

Wir würden über unserem Tunnel an kostbarster Stelle große Flächen wertvollstes Bauland gewinnen, es bebauen und begrünen. Unser Ort würde nahtlos zusammenwachsen. Das sind realistische Perspektiven, wohlgemerkt, und nicht utopische Spielereien. Die Bürgerinitiative "Bahn im Tunnel", die BIT, hat die katastrophale Entwicklung früh erkannt. Städteplaner, Ingenieure und andere gestandene Leute mit Kompetenz, Realitätssinn und Weitblick haben nach Alternativen gesucht und engagieren sich gegen die drohende Gefahr.

Natürlich kostet das Projekt viel Geld. Die Bahn will so billig wie möglich bauen und trickst, stellt wie beim S-Bahntunnel in Ismaning erst mal Horrorsummen in den Raum. Der Bau des Tunnels sollte dort nach den ersten Aussagen 220 Millionen DM, dann 120 Millionen teuer sein. Wirklich gekostet hat er schließlich 70 Millionen, von denen der Staat 90 Prozent übernahm. Die tatsächlichen Mehrkosten gegenüber dem oberirdischen Ausbau beliefen sich auf 20 Millionen DM.

Wo bleibt die Gerechtigkeit? Muß nicht das Ismaninger Modell auch für unsere Gemeinde gelten, selbst unter Baubedingungen bei laufendem Bahnbetrieb?

Aber nein! Mit Billigung von MinisterWiesheu hat es die Bahn bis heute strikt abgelehnt, die alternative Tunnellösung überhaupt zu untersuchen. Die Forderung der betroffenen Gemeinden, schreibt er, sei "unbillig", wir Bürger seien "undankbar", sollten erst mal für die Finanzierung sorgen (SZ vom 24.9.96). So stellt man die Welt auf den Kopf. Als ob wir die Verursacher wären! Als ob die Aufgabe, unseren Flughafen landesweit besser erreichbar zu machen, ohne unsere Gemeinden zu durchschneiden, nicht die Angelegenheit des Bundes und der Staatsregierung sei!

So geht es nicht, Herr Wiesheu!

Sie saßen beim Festzug zur Feier des 1 000jährigen Marktrechts in Freising in der Ehrenkutsche. Sie wissen gut, was Bürgerstolz und Heimatgefühl bedeuten, die es nicht zulassen, der Verschandelung der Heimat tatenlos zuzusehen. Möchten Sie Ihren Heimatort durch eine fünf Kilometer lange Schneise mit hohen Schallschutzzäunen durchschnitten sehen?

Bitte helfen Sie uns! Für die Folgekosten des neuen Flughafens muß der geradestehen, der sie verursacht hat. Die Staatsreuierung kann nicht zulassen, daß die Zukunft eines aufstrebenden Ortes, in dem immerhin Hightech und Firmen mit Weltruf ihren Sitz haben, auf der Strecke bleibt und unsere Gemeinde für ganz Bayern büßen muß!

Wir sind realistisch und sehen ein, daß der Staat heute weniger Geld und Spielraum hat. Gott sei Dank ist Unterschleißheim in der Lage, auch seinen finanziellen Beitrag zu leisten. Da müssen eben rigoros die Prioritäten gesetzt werden, muß einige Jahre lang auf Projekte, die nicht unbedingt sein müssen, verzichtet worden. Die können später nachgeholt werden, der Tunnel aber nicht. Wenn wir Unterschleißheimer nicht aufpassen und uns einlullen lassen, ist unsere Zukunft irreparabel verbaut.

Jetzt noch eine Bahnunterführung bei der Kreuzung Bezirksstraße zu bauen, wäre ein Schildbürgerstreich.

Und die Verlagerung der Bahntrasse an die Autobahn A 93 ist keine Alternative, Herr Bürgermeister! Die Mitbürger vom Weiher, aus Riedmoos und dem Inhauser Moos würden sich sehr bedanken.

Daß "die CSU-Fraktion dem Tunnelplan nicht abgeneigt ist", so steht es wörtlich im Lohhofer Anzeiger, läßt vermuten, daß sie ihn nicht mehr anstrebt. Das kann doch nicht wahr sein! In allernächster Zeit fällt die Entscheidung.

Katharina Bednarek und Walter Fleege

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